Vortrag von Niko Paech

Marcus Sümnick - CC BY 3.0
Marcus Sümnick – CC BY 3.0

Gestern waren wir zu dritt beim Vortrag von Niko Paech in der Volkshochschule Villingen-Schwenningen – etwa 100 Leute waren gekommen. Ich kannte seine  Argumentation ja bereits von seinem Buch “Befreiung vom Überfluss”, aber es war schon spannend live zu erleben, wie kenntnisreich und eloquent er die komplexe Thematik innerhalb einer Stunde darstellte. Das fordert die Zuhörer mental, aber auch emotional – man sah so manchen unruhig auf seinem Stuhl herumrutschen…
Seine Argumentation ist wissenschaftlich fundiert – man merkt die Erfahrung des  Universitäts-Dozenten, inhaltlich sehr sachlich gehalten, von der Aussage aber  enorm provokativ und nachdenklich machend.

Die wichtigsten Kernaussagen:
– Unsere Rohstoffe (wie Öl und seltene Erden) gehen bereits jetzt dramatisch zur Neige, eine stark steigende Nachfrage aus den Schwellenländern trifft auf zurückgehende und teurer werdende Fördermengen: Peak everything
– Eine Wirtschaft, die ständig weiterwächst, ist ehisch, ökologisch und existentiell unhaltbar
– allein wegen den weltweiten Auswirkungen der Klimaerwärmung
“Grünes Wachstum” ist bei genauer Analyse definitiv eine Illusion, Effizienzgewinne durch technischen Fortschritt und ökologische Umrüstung werden regelmäßig für verstärkten Konsum genutzt, daraus folgen steigende statt fallende CO2-Emissionen!

Die einzige rationale und praktisch durchführbare  Konsequenz kann nur sein, den Verbrauch real zu reduzieren, und dafür einen gesellschaftlich gangbaren Weg zu entwickeln.

Interessant ist seine Argumentation gegen den ablehnenden Reflex, über Reduktion auch nur nachzudenken – er stellt das Angstwort Verzicht gegen die Idee der Befreiung vom Überfluss und macht deutlich, dass es für jeden von uns eine nicht vermehrbare Ressource gibt: unsere Zeit! Jeder Konsum-Akt braucht Zeit. Mehr Konsum braucht mehr Zeit, diese ist aber unvermehrbar – das führt dazu, dass aus zuviel Konsum kein Genuss, keine Zufriedenheit mehr entstehen kann.
Schaffen wir es dagegen, uns auf  wenige, für uns wirklich wichtige Dinge zu beschränken, erhöht sich der Genuss, während sich der Verbrauch verringert…

Daraus erdenkt er einen Vorschlag für eine Post-Wachstums-Ökonomik.
In Stichworten:

Zurückfahren der Industrieproduktion auf die Hälfte (das kann u.a. erreicht werden durch gezielte Pflege und Reparatur von Gütern durch regionale Dienstleister, bis zu einer angestrebten Verdoppelung der Produkt-Lebenszeit, plus verstärkter gemeinsamer Nutzung von Gütern)
– Die Nutzung von Regionalwährungen, um den Geldabfluss aus der Region (in die Spekulation) zu stoppen,
Halbierung der Arbeitszeit im Bereich der industriellen globalen Arbeitsteilung
– Nutzung der freigewordenen Zeit für Arbeiten in gemeinsam organisierter lokaler Selbstversorgung und einer Wiederentdeckung nichtkommerzieller, handwerklicher Fähigkeiten, die nachbarschaftlich getauscht werden.

Er sprach auch in der folgenden engagierten Diskussion über denkbare begleitende Maßnahmen aus der Politik, war aber sehr klar damit, dass von der Politik erst einmal keinerlei Unterstützung zu erwarten ist.
Was etwas bewirkt, ist, wenn diejenigen, die die Situation begriffen haben, aus eigenem Antrieb mit dem Aufbau von lokalen Alternativen beginnen.

Es ist spannend, wie ein hoch kompetenter Wirtschafts-Professer (er lehrt an der Universität Oldenburg), der sich wissenschaftlich tiefgehend mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt hat, zu solch klaren Aussagen kommt, die dem aktuellen Mainstream komplett widersprechen. Seine Argumentation weicht den Problemen nicht aus oder deckt sie wie die Politik mit Wortblasen zu, sondern benennt sie nachvollziehbar. Sie ist bestechend logisch und sie begründet und setzt vieles zusammen, was für viele bisher vielleicht eher ein unbehagliches Bauchgefühl war.

Sein Fazit: Noch haben wir die Wahl, unsere Zukunft “by Design” rechtzeitig (?) an die realen Verhältnisse anzupassen – tun wir es nicht, kommt die Anpassung dennoch mit Sicherheit – dann eben “by Desaster”.

Was mir gefiel, ist seine keineswegs pessimistische Ausstrahlung, er lebt selbst schon seit langem recht konsequent, was er vorschlägt und es scheint ihm gut zu tun: er macht einen lebendigen, zugewandten und geerdeten Eindruck, wie wir in einem kurzen persönlichen Gespräch nach dem Vortrag spüren konnten. Ein blaues Schmetterlingskärtchen wanderte in sein Archiv interessanter Projekte der Umsetzung …
Was für manche wahrscheinlich nicht so leicht ist, ist die mental intensiv fordernde, rationale Argumentation. Ich hatte spontan den Wunsch, dass sein Vortrag ergänzt werden könnte durch Präsentationen praktisch gelebter, positiver Beispiele, wie sie etwa in der Dokumentation zur Transition-Town-Bewegung gezeigt werden. Etwas, mit dem man sich identifizieren kann, und die Menschen auch emotional ermutigt, den Weg des Wandels selbst zu gehen.
Vielleicht ist das aber auch nicht die Aufgabe von Wirtschaftswissenschaftlern, sondern von Leuten wie uns …

P.S. In der Zuhörerschaft trafen wir mehrere Mitglieder der lokalen Regiogeld-Initiative “Gwinner“, mit denen wir gleich Kontakte geknüpft haben.